Notfälle bei Babys und Kleinkindern - 3 Fragen an eine Kinder- und Notärztin

babys und kleinkinder Oct 09, 2020

Heute im Kurzinterview: Dr. med. Katharina Rieth. Katharina ist Kinder- und Notärztin, ist Woche um Woche im Notfalleinsatz und weiß, worauf es ankommt. Wir haben ihr 3 Fragen zum Thema Kindernotfälle gestellt: 

mapadoo: "Zu welchen Notfällen bei Babys und Kleinkindern wirst Du am häufigsten gerufen?"

Katharina: "Ich werde definitiv am häufigsten zu respiratorischen Notfällen (Atemwegserkrankungen), hier insbesondere dem Pseudokruppanfall bei Kleinkindern oder dem „Luftanhalten“ von Säuglingen nach „Verschlucken von Muttermilch“ gerufen. Kurz darauf folgen dann schon das Krankheitsbild des Fieberkrampfes sowie spielbedingte Verletzungen von Kleinkindern im Sinne von Frakturen (Brüchen). Alle weiteren Kindernotfälle sind eher seltener."

mapadoo: "Welche Notfälle werden von Eltern aufgrund von Unwissenheit verschlimmert?"

Katharina: "Eltern neigen dazu, bei augenscheinlichen Auffälligkeiten wie „Hautausschlag“ oder bei „schreiendem Kind“ die Notfallambulanzen aufzusuchen. Schläft das Baby „immer brav“ wirkt das auf viele Eltern nicht beunruhigend, obwohl gerade das in Zusammenschau mit bestimmten Warnsymptomen bei Kindern auf gravierende Krankheitsbilder wie Infektionen, Hirnblutungen, u.s.w. hinweisen kann. Gerade bei den Neugeborenen übersehen viele Eltern Warnsymptome wie Untertemperatur oder mangelnde Körpergewichtszunahme, wenn sie nicht zufällig eine gute Hebamme Zuhause haben oder einen Kinderarzt, bei dem sie sich im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen vorstellen und der sie dann darauf aufmerksam macht. Und insbesondere im Falle von Verbrühungen und Verbrennungen sieht man als Notarzt häufig die verrücktesten Therapieansätze von unwissenden Eltern. Kinder werden dabei zum Kühlen in die eiskalte Badewanne gesetzt oder aber die Stellen wurden mit Quark, Honig oder anderen Materialien benetzt."

 mapadoo: "Wie viel Prozent von den Notfällen, zu denen du gerufen wirst, sind de facto gar keine richtigen Notfälle?"

Katharina: "An sich sind richtige Kindernotfälle mit einem Anteil von 6% an allen Notarzteinsätzen eher selten. Den Eindruck bekommt man in der Kindernotfallambulanz aber häufig nicht wirklich, da Eltern in ihrer Unwissenheit und Panik häufig völlig verunsichert sind, ihr Kind einfach einpacken und in die Klinik fahren oder den Notarzt rufen, ohne sich vorher groß Gedanken über das vorherrschende Problem und mögliche Lösungsansätze gemacht zu haben. Somit platzen die Kinderarztpraxen und Kindernotfallambulanzen vor lauter „Kontrollvorstellungen“ aus allen Nähten und als Notarzt fährt man des Öfteren mal an die Gemarkungsgrenze, um ein Zäpfchen zu stecken, weil die Eltern das bisher „noch nie gemacht haben“ und sich „unsicher waren, ob sie das wirklich alleine dürfen“. Insbesondere das Thema Fieber beschäftigt ganze Generationen und füllt ganze Kliniken mit an sich gesunden Kindern, bei denen in der Regel nicht einmal die Körpertemperatur gemessen, geschweige denn ein Fiebersenker vorab verabreicht wurde. Auch einmaliges Erbrechen bei ansonsten gesunden, größeren Kindern ohne Durchfall, Fieber oder vorangegangenem Sturz ist ein häufiger Vorstellungsgrund. Therapiert wurde von den Eltern in den allermeisten Fällen vorher nicht. Studien besagen, dass es sich in 30-40% der Vorstellungen um keinen Notfall gehandelt hat, sprich in mehr als einem Drittel der Fälle eine Behandlung Zuhause bzw. ambulant durch den Kinderarzt hätte erfolgen können."

"Danke, Katharina!"

Zusammen mit Katharina ist der Babywissen - Kindernotfall ABC Online Kurs (www.mapadoo.de/erste-hilfe) entstanden. Wir sind uns sicher, dass sich Eltern und alle, die auf ein Kind aufpassen danach sicherer im Umgang mit Kindernotfällen und der Ersten Hilfe fühlen. 

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