Erfahrungsbericht eines Frühchenpapas - zum Weltfrühgeborenentag am 17.11.202

Montag, 23. Februar 2015. Ein Tag, der sich mir auf Immer und Ewig im Gedächtnis verankert hat. Etwa 9 Wochen vor dem errechneten und 5 Tage vor dem tatsächlichen Geburtstermin.

Zu diesem Zeitpunkt war unsere Schwangerschaft schon nicht einfach verlaufen, wir konnten aber nicht erahnen, was uns noch erwarten würde.

Am Anfang der Schwangerschaft stand der „Schock“ über 2 getrennte Fruchthöhlen. Wir waren mit Zwillingen schwanger. Ein unglaubliches und wundervolles Gefühl.

Zu Beginn war alles in Ordnung. Beide Föten entwickelten sich gut und wir waren bis zur achten oder neunten Woche voller Vorfreude. Dann kam für uns die erste Hiobsbotschaft. Einer der Föten hatte keine Herztöne mehr. Wieso? Weshalb? Die Frauenärztin konnte uns keine Antwort darauf geben. Wir waren traurig, unendlich traurig. Aber es gab ja noch dieses zweite Wunder.

Da meine Frau zum Zeitpunkt der Schwangerschaft schon 35 Jahre alt war, wurden wir zusätzlich noch in Heidelberg betreut. Die Untersuchungen zeigten uns von mal zu mal ein gut entwickeltes Kind. Immer etwas zu klein und etwas zu leicht, aber mit 5 Fingern an jeder Hand und der Nase mitten im Gesicht. Wir waren glücklich und freuten uns riesig auf dieses kleine Wunder, welches im Bauch meiner Frau heranwuchs.

In der 12. oder 13. Schwangerschaftswoche stand dann das Ersttrimesterscreening an. Die Ultraschalluntersuchung zeigte keine Auffälligkeiten der Nackenfalte oder wies auf sonstige, eventuelle Probleme hin. Die „Chance“ dass unser Kind an Trisomie 18 oder 21 leiden würde, war sehr gering und gab uns Sicherheit. Doch diese Sicherheit war trügerisch. Die Blutwerte meiner Frau drückten die „Chancenwerte“ von 1:5000 auf 1:112 für Trisomie 21. Wir waren schockiert und die Angst in uns wuchs zusehends. In Absprache mit unserer Frauenärztin entschieden wir uns trotz aller Gefahren zu einer Fruchtwasseruntersuchung. Diese würde uns Klarheit bringen und uns dann, eventuell, vor schwierige und weitreichende Entscheidungen stellen.

Gott sei Dank waren die Ergebnisse für uns positiv und wir konnten uns auf die weitere Entwicklung unserer Tochter freuen.

Sie lag zwar mit ihrem Gewicht und ihrer Größe weiterhin unter der untersten Perzentile, aber Sie entwickelte sich.

Aufgrund von Gewicht und Größe wussten wir, dass wir unter Umständen nicht im nahegelegenen Krankenhaus entbinden werden können und entschlossen uns dazu, unseren Fokus auf Heidelberg zu legen.

Hier waren wir auch an dem oben genannten Montag. Wir hörten uns an diesem Abend einen Vortrag über die Geburtsabteilung von Heidelberg an und unterhielten uns auch mit unserem betreuenden Arzt. Zu diesem Zeitpunkt war, bis auf Gewicht und Größe, alles in Ordnung. Es gab keine Anzeichen für das, was kommen sollte.

Auf dem Heimweg waren wir hungrig und beschlossen in ein Restaurant zu gehen. Das Essen kam und wir haben gemeinsam gegessen, bis mich meine Frau entsetzt anschaute und folgende Worte sagte: „Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt!“

Wumm!

Man gerät in eine Situation, die einem surreal erscheint. Man ist geschockt, der Kopf ist leer und man versucht in diesem Moment irgendwie zu funktionieren. Wie soll man sich jetzt verhalten, was war die Regel bei einem Blasensprung?

Liegend transportieren und den Rettungsdienst benachrichtigen. In dieser Situation ruhig und besonnen zu handeln, ist nicht leicht.

Wir haben uns dann dazu entschlossen, selbst ins Krankenhaus zu fahren, da die zeitliche Ersparnis von Vorteil hätte sein können.

Im Krankenhaus bestätigte sich der Blasensprung. Das CTG zeigte jedoch keine Auffälligkeiten. Somit wurde meine Frau dann im Rettungswagen nach Heidelberg gefahren.

Ich gebe zu, dass ich mich selbst kaum daran erinnern kann, wie ich zu Hause die Tasche gepackt habe, geschweige denn, wie ich nach Heidelberg in die Klinik gekommen bin.

In der Klinik selbst, war alles sehr ruhig und besonnen. Es gab keine Dringlichkeit für einen Not-Kaiserschnitt. Meine Frau bekam die erste Spritze für die Lungenreife und kam dann auf Station.

Nun hieß es liegen und zu versuchen, so lange wie möglich das Kind in der Gebärmutter zu behalten. Dies gelang meiner Frau sehr gut.

Dann kam der 27. Februar 2015. Bei meiner Frau setzten die Wehen ein und wir wurden in einen der Kreissäle gebracht. Wir waren den ganzen Tag und die ganze Nacht im Kreissaal. Hier erinnere ich mich explizit an eine Situation. Der Bauch meiner Frau wurde in regelmäßigen Abständen geschallt und bei einer Ultraschalluntersuchung wurde der Arzt sehr still und auch etwas hektisch. Das etwas nicht stimmte, wusste ich, als er seinen Assistenten mit den Worten „Finde sofort das Kind“ anfuhr. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit in diesem Moment kann ich nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass ich es nie wieder spüren möchte.

Gott sei Dank hatte sich unsere Maus nur „versteckt“ und es wurde kurz danach Entwarnung gegeben.

Am Morgen des 28. Februar 2015 hatten sich die Wehen meiner Frau gelegt und Sie durfte zurück auf Station.

Gerädert und übernächtigt machte ich mich auf den Weg nach Hause, um kurz vor Ortsausgang Heidelberg von meiner Frau zu erfahren, dass sich unsere Tochter auf den Weg gemacht hat und man Sie nun per Kaiserschnitt holen würde…

Zurück in der Klinik wurde ich dann wieder in den Bereich der Kreissäle gebracht, wo die Vorgespräche für den Kaiserschnitt stattfanden. Es war alles wie in einem Film. Irgendwann wurde meine Frau für die OP abgeholt und ich ging mit einer Hebamme in den Umkleidebereich vor den OP´s.

Unsere Tochter kam also am 28. Februar 2015 mit einer Größe von 43cm und einem Gewicht von 1.070gr in Heidelberg auf die Welt.

Ich höre heute noch Ihren ersten Schrei, während Sie an mir vorbeigetragen wurde, damit Sie ein Kinderarzt untersuchen konnte.

Ich erinnere mich noch an das Klopfen des Kinderarztes an die Scheibe der OP-Tür und seinen nach oben zeigenden Daumen. Unserer Tochter ging es gut.

Ich war froh und erleichtert, aber auch in gewisser Weise enttäuscht. Nur 1.070gr. Die Ärzte sprachen immer von etwa 1.500gr.

Uns wurde gesagt, dass unsere Tochter auf die FIPS kommen würde und dass man uns holen würde, wenn Sie versorgt sei.

Irgendwann war es soweit. Die Schwester kam und nahm mich mit auf die FIPS. Meine Frau musste zu dem Zeitpunkt noch liegen.

Als ich das dunkle Zimmer dieser Station betrat, fielen meine Blicke unweigerlich auf die Brutkästen mit den kleinen und wunderbaren Geschöpfen darin. Was ich sah, stimmte mich in diesem Moment demütig und meine Enttäuschung über „nur“ 1.070gr waren verflogen. Ich war in diesem Moment stolz, dass die Maus dieses Gewicht hatte.

Dann sah ich meine Tochter zum ersten Mal! Winzig klein, zerbrechlich und durch das UV-Licht seltsam lila anmutend. Aber Sie war da. Vor mir. Zum Greifen nahe und wunderschön.

Das Gefühl, als ich meine Hand durch die Seitenöffnung des Brutkastens führte und das erste Mal ihre Hand berührte, konnte ich damals und kann ich auch heute nicht in Worte fassen.

Ich streichelte meine Tochter.

Die Schwester sagte mir, dass Sie nicht beatmet werden müsse und die Lunge gut arbeiten würde.

Nichtsdestotrotz musste unsere Maus fast 3 Monate in Heidelberg verbringen. Gewicht zunehmen war damals und ist auch heute noch das größte Problem.

Das unsere Maus kämpfen kann, hat Sie von Anfang an gezeigt. Egal, ob es der doppelte Leistenbruch war, der operativ behandelt werden musste oder das kleine Löchlein in der Herzwand. Sie hat alles gemeistert, was es zu meistern gab.

Die Zeit zwischen ihrem ersten und zweiten Geburtstag waren gefüllt mit Sorgen und Ängsten, denn Sie hatte in regelmäßigen Abständen Anfälle/Episoden, die uns bis heute niemand schlüssig erklären konnte. Mittlerweile gehen wir davon aus, dass Sie an einer frühen und heftigen Form von Migräne litt.

Heute, mit fast sechs Jahren, ist Sie ein äußerst aufgewecktes und schlaues Kind, welches allen Widrigkeiten getrotzt hat und mich jeden Tag aufs Neue zu einem stolzen Papa macht.

So geht Sie regelmäßig reiten oder tanzt in der Faschingsgarde mit.

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